Thema: Vom Großen des Kleinen – Aufbruch in die Zukunft

Text: Lukas 18, 1-8

1.         Einleitung

Unter Schmetterlingseffekt ist in der sogenannten Chaosforschung zu verstehen, wenn ein scheinbar unbedeutende Sache eine riesige Auswirkung hat. Die Chaosforschung versucht – nicht Chaos zu erzeugen, dazu gäbe es genügend Experten -, zu erforschen wie scheinbar chaotische Zustände zustande kommen. Ausgelöst wurde diese Forschung in den 60 er Jahren als versucht wurde, mittels Computern das tägliche Wetter vorherzusagen. Es müsste doch eigentlich gelingen, wenn alle Faktoren erfasst und berechnet werden, das Wetter lange vorherzusagen.

Das Experiment ist gescheitert. Zwar sind die Vorhersagen genauer geworden, aber nur über einen kurzen Zeitraum von maximal einer Woche. Die Ursache, dass man das Wetter nicht längerfristig vorhersagen kann, liegt am Schmetterlingseffekt.

Wenn in China ein Schmetterling mit dem Flügeln flattert, dann verändert sich in Deutschland das Wetter. Das ist der Schmetterlingseffekt. Hört sich komisch an. dahinter verbirgt sich aber die Aussage. ich kann nicht alle Faktoren, die etwas beeinflussen mit Sicherheit bestimmen. Es gibt immer Einflussfaktoren, die die Planung und Vorüberlegungen über Bord werfen lassen.

Wir haben das dieses Jahr gerade an den Ereignissen am 11. September erlebt. Die Pleiten der Fluggesellschaften sind auch Folgen von den Auswirkungen der Terroranschläge.

Die Sicherheit, in der wir uns als westliche Welt in den letzen 20 Jahren seit dem Niedergang der Sowjetunion befunden haben, hat den größten Riss bekommen, den es geben kann.

Das Leben ist aus der Bahn geworfen. Die Weltwirtschaft ist ins Trudeln gekommen. Die Macht, die wir glaubten zu haben, ist zerbröckelt. Da helfen auch keine Bomben auf Afghanistan oder sonst wo hin. Der Riss der eigenen Sicherheit hat durch den Effekt des 11. September noch lange keine Lösung erfahren.

2.         Textbezug

Im Gleichnis, der Beispielgeschichte finden wir alle diese Aspekte wieder.

Der Richter, der sich sicher und gefestigt glaubte. Gott und die Menschen, das waren keine furchterregende Größen. Nein, er war der Richter und sonst kam dort nichts. Die eigene Sicherheit, das eigene Denken war klar. das Leben geplant und vorgezeichnet. Die Konsequenzen abgestimmt. Alles lief nach Plan, alles war berechenbar. Und dennoch gab es dort einen kleinen Wermutstropfen.

Die Witwe, die ihn permanent daran erinnerte, was zu tun sei. Keine Ahnung, ob Jesus mit dem Gleichnis einen konkrete Frau den Menschen vor Augen führen wollte.

Auf jeden Fall hat die Witwe die Aufgabe des Gewissens in diesem Gleichnis. Die Witwe ist der schwarze Fleck auf der Planung des Lebens. Sie stellt das dar, was wir eigentlich nicht wollen. Das Unvorhergesehene. Meistens klein und unscheinbar, aber dies kann gigantische Auswirkungen haben. Es gibt viele dieser kleinen Unabwägbarkeiten, aber damit lernt man schließlich leben.  Und doch scheint es einen Aufbruch geben zu müssen.

Der Aufbruch zur Veränderung durch dieses Nervige der Witwe, die ihr eigenes Interesse an die Lebensplanung des Richters koppelt.

Und schließlich hat sie es geschafft, der Richter bewegt sich.

Was dieses Gleichnis sagen soll, wurde viel diskutiert in der Kirchengeschichte. Lukas schreibt es nach der katastrophalen Niederlage der Juden mit der Zerstörung des Tempels durch die Römer. Die Mutternation des Christentums, die Nation Jesu ist zerstört und vertrieben. Und das schlimmste für die ersten Christen, die ja vielfach auch jüdischer Nation waren, ist die Frage, wo bleibt Gott? Wo ist das Reich Gottes? Vielleicht will Lukas die Antwort darin geben, dass er die Kollegen auffordert: im gebet lässt sich Gott bewegen. Das Kleine kann Großes hervorbringen.

3.         Gewisses Leben im Ungewissen

Was auch immer damals der Text ausdrücken wollte, heute geht es nicht um die Wiederkunft des Reiches Gottes. Es geht nicht mehr um das Beten um das Reich Gottes zu meinen Lebzeiten.

Als evangelische Christen kann uns das auch egal sein. Wir müssen nicht auf Zeichen achten, ob Gott aus dem Himmel steigt. Das, was Gleichnis in unser Leben als Christen hinein sagt, ist einfacher:

Leben dein Leben im Bewusstsein der Veränderung.

Nicht das Stillstehen in Gedanken und Ansichten von Gestern ist gefragt, sondern die Auseinandersetzung mit den Anforderungen des aktuellen Lebens.

Stillstand – das ist das, was wir theologisch mit dem Begriff Sünde bezeichnen. der Richter im Gleichnis lebt in Sünde. Nicht weil der nicht recht sprechen will oder nicht einen Geliebten hält. Er lebt in Sünde, weil er nicht wahrhaben will, dass er sich verändern muss.

Wer heute noch christlichen Tugenden nachweint, die sich in gesellschaftlichen Vorstellungen wie Sexualitätsverhalten, Kleidungsordnung oder Sprache einer gewissen Zeit wiederfanden, der hat etwas nach unserem Bibeltext nicht verstanden. Nicht Vorstellungen, Verhaltensmuster oder gesellschaftliche Ansichten sind die Aufgabe christlichen Glaubens und Lebens, sondern die Bereitschaft, sich und sein Umfeld zu hinterfragen.

4.         Übertrag für heute

Konkret ruft uns der Text heute drei Aspekte in den Kopf, wie christliches Verhalten gefragt sein könnte.

a) Leben ist ein Leasingangebot Gottes

Wir richten uns in der Welt ein. Aber das ist nicht von Dauer. 70 vielleicht 80 Jahre wie der Psalmbeter sagt. Es geht auch nicht um Lebensjahre, sondern um die Fähigkeit für den Aufbruch bereit zu sein. Gott kann das Leasingangebot für unser Leben jeden Tag neu bewerten. Das können und haben wir zu verstehen. Sonst droht der Stillstand. Und das ist die Sünde, die den Tod nach sich zieht. Bitte, es geht dabei um die eigene Fähigkeit, loszulassen. Loszulassen von der eigenen Lebensplanung, den Barrieren im Kopf, den Vorstellungen nach dem, was mein Leben leisten soll. Loslassen aber auch von Erwartungen an die Planstelle der Kirchengemeinde und an den ganzen Pfarrer.

b) Gleichzeitig geht es darum, die kleinen Flügelschläge eines Schmetterlings wahrzunehmen oder gar selbst zu sein, um Leben zu verändern. Vielleicht für den Nachbarn, für den Partner oder Partnerin, vielleicht am Arbeitsplatz oder wo auch immer. Die Schritte auf den anderen zu, das ist die Aufgabe. Die Witwe im Gleichnis hat sich bewegt; auf den Richter zu, um ihn zu verändern. Dies kann und darf unsere Aufgabe aber auch sein für die Veränderungen in der Welt.

c) Bereitschaft zum Aufbruch

Und schließlich geht es um die Bereitschaft, aufzubrechen. Neue Wege kraftvoll anzugehen. Sie haben hier in der Kuhwaldsiedlung eine wichtige Aufgabe des Aufbruchs. Die Kirchengemeinde neu zu gestalten. Den Aufbruch zu leben und organisieren jenseits des Verwaltens der bisherigen Gewohnheiten. Aufbruch gilt als Motto. sie sind dabei, dies zu tun. Die Aufgabe ist wirklich, das Neue zu suchen und zu wagen. Das Alte zu konservieren bedeutet hier in der Gemeinde Stillstand. Es wäre ein fataler Fehler, der allzu häufig in den städtischen Kirchengemeinde gemacht wird.

Ich denke, Sie sind auf einem guten Weg.

 

Und das ist die Botschaft am heutigen Sonntag: Stillstand und Bequemlichkeit überwinden, Bewegung erzeugen, Aufbruch wagen und organisieren.

Amen.

Und die Beweglichkeit Gottes, welche uns manchmal unvernünftig erscheint, bewege unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen